20 | 22

Eine immer breiter werdende Blutspur verbindet die Ukraine mit dem ehemaligen Jugoslawien, mit Afghanistan oder Tschetschenien und Georgien bis nach Indien und Burma. In den mehr als drei Jahrzehnten der postsowjetischen Ära haben Souveränitätskriege die früheren Stellvertreterkriege der beiden Großmächte abgelöst: Wolf Böwig ist Chronist dieser Zeitgeschichte enttäuschter Hoffnungen. 

Seine Reportagen, Fotografien und Collagen aus zahlreichen Kriegs- und Krisenregionen hat er in den beiden Coronajahren in seinem „Isolationstagebuch“ verdichtet, da notgedrungen längerfristig geplante Reisen nicht möglich waren. Das von einer immensen Ausdrucksdichte und vielfältigen Bezügen geprägte Tagebuch bietet sich als eine Tiefenbohrung unserer tagesaktuellen Informationslage im Sinne einer „documentary art“ an. Es macht anschaulich, wie eine instabile Weltordnung seit mehr als drei Jahrzehnten trotz aller Versuche einer internationaler Pazifizierung von einem eng miteinander verflochtenen Gewaltgeschehen geprägt wird. Staatenkriege, Bürgerkriege, terroristische Gewalt, die Unterdrückung von Regimegegnern oder der immer wieder menschenverachtende Umgang mit Flüchtlingen haben die Vision einer friedlichen Welt nach dem Ende des Kalten Kriegs unter sich begraben. Immer geht es um verlorene Macht, bedrohte Herrschaft oder den Anspruch auf Selbstbehauptung. Böwig zeigt, was das mit den Menschen macht, die in diesen zerrissenen Regionen leben – und was es auch mit uns macht, die wir deren Schicksal aus der Ferne verfolgen.

Habbo Knoch

VG Bild Stipendium 2020

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SIGNUM MORTIS | 40.555 – 5. bis 20. Dezember 2020

Ausstellung "SIGNUM MORTIS | 40.555" Weißekreuzplatz, Hannover

40.555 ist eine aktuelle Installation von Wolf Böwig, die ganz in der Tradition des „say their names“ einen Klage- und Erinnerungsort für jene 40.555 Menschen schafft, die seit 1993 an den europäischen Außengrenzen ihr Leben lassen mußten. Dabei wird die Liste ihrer Namen mit Arbeiten von Wolf Böwig und Texten des Historikers Habbo Knoch profiliert, die am Beispiel der jugoslawischen Tragödie in Bürgerkrieg, Renationalisierung und Flüchtlingsabwehr das Panoptikum der Entmenschlichung eröffnet, deren Opfer sie gedenkt.

Presse-Informationen zur Doppel-Ausstellung PDF

Nah ist das Land, das Sie das Leben nennen

Ausstellung in der Galerie Peter Sillem
vom 8. November bis 8. Dezember 2018

… Wolf Böwig ist ein Autor-Photograph. Er zeigt nicht nur, er erzählt auch. Er macht – photographisch-erzählend – auch Pausen, er lässt Lücken, er springt im Erzählen, er spricht zu schnell, er holpert, fängt sich wieder, hält inne und schweigt. Ich könnte das an jedem einzelnen der Bilder, die hier heute versammelt sein, aufzeigen. Aber es ist schöner, wenn Sie das selbst entdecken.

Was mich am meisten berührt an Wolf Böwig ist, dass er hadert, dass es ihm selbst nie reicht. Dass er nie genug hat von einer Gegend, dass er sich nicht abschrecken lässt, dass er nie zufrieden ist, dass er nicht akzeptieren will, dass geschieht, was geschieht, dass es hier so wenige umtreibt, dass er auch an seinen eigenen Instrumenten, seinen Bildern, seiner Arbeit zu zweifeln scheint – und deswegen die Sprache, in der er von diesen Gegenden erzählt, weiterentwickelt.

Wolf Böwig arbeitet mit Photographie, mit Schrift, er lässt einzelne Aufnahmen für sich wirken, er gestaltet Collagen, es sind unterschiedliche Materialien und Techniken, die ein ganzes überbordendes Panoptikum bilden. Aber auch jedes einzelne Bild zeugt von dieser Lust auf komplexes Erzählen. …

Einführung von Carolin Emcke

„Kriegspassage 1“

Ausstellung "Kriegspassage1" von Wolf Böwig und Black.Light Project


… wurden auf dem Weg durch eine Wiederbegegnung etwas aufgehalten und trafen auf eine leere Ausstellung, lieber Wolf Böwig. Wir sind lange geblieben (anstatt der ausgelagerten weiteren Veranstaltung hinterherzulaufen).

Es hat uns die Sprache verschlagen. Später, in der Nacht, fiel mir Eliacheff ein, eine Psychoanalytikerin, die in Paris seit vielen Jahren mit schwerst traumatisierten Babies und Kleinkindern arbeitet. Sie erzählt diesen Kindern, die noch nicht sprechen können, deren eigene Geschichte. Sie nennt diese Vorgänge „symbolisieren“. Erstaunlich ist: sie funktionieren. Die Kinder verlieren ihr Asthma, essen wieder etc.

Ihre Ausstellung mit der Beteiligung bzw. der Hilfe anderer …eine Symbolisierung?
Auch eine Art Selbst-Heilung?

Hab mich sehr über unsere Begegnung gefreut.

Herzlich
Anna Maigler

Ausstellung „Kriegspassage“

„Kriegspassage 1“ vom 23. bis 27. August 2018 beim 38. Poetenfest Erlangen 2018

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